Schulpioniere starten ins Abi

  • Premiere am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium VS
  • Erste Reifeprüfung nach Gründung vor drei Jahren
  • Ganze Region bis nach Bonndorf ist Einzugsbereich

Der Andrang auf Sozialwissenschaftliche Gymnasien (SG) ist ungebrochen, obwohl das Kultusministerium vor drei Jahren die sozialwissenschaftlichen Gymnasialzweige im Land um 15 aufstockte. Einer davon entstand in der Albert-Schweitzer-Schule in Villingen-Schwenningen, wo sich nun die damalige Pilotklasse auf das Abitur vorbereitet. Die Erfahrungen sind allseits bestens, versicherten Schulleiterin Barbara Hendricks-Kaiser, Fachlehrer und angehende Abiturientinnen.

SG- Abi-Klasse

SG- Abi-Klasse

 

Obwohl von Anfang an zwei Parallelklassen eingeführt wurden, kann die Nachfrage bei weitem nicht befriedigt werden: Den 60 Plätzen im SG stehen 138 Bewerbungen gegenüber. Die Anmeldungen werden nach Noten ausgewählt. Es bewerben sich viel mehr junge Frauen als junge Männer, der Radius ihrer Herkunft ist größer als der Schwarzwald-Baar-Kreis. „Etliche nehmen Schulwege von einer Stunde und länger in Kauf“, war von Pressesprecher Peter Anders zu erfahren. Anja Schuler kommt aus Bonndorf und hätte sich auch nach Freiburg orientieren können, das für sie ungefähr so weit weg ist wie Villingen. Für die Donaueschingerin Anna Engesser wäre Radolfzell die Alternative gewesen, während sich Verena Müller aus VS-Nordstetten zunächst für den Besuch eines Technischen Gymnasiums entschieden hatte. Schon nach einer Woche habe sie gemerkt, dass das ein „völliger Fehlgriff“ gewesen sei. „Zum Glück sprang jemand vom SG ab und ich konnte wechseln.“ Das private Königsfelder Zinzendorfschulwerk kam für keine der drei Schülerinnen in Frage: „Es kostet Schulgeld.“ Bislang war Königsfeld der einzige Schulstandort im Kreis, der mit sozialwissenschaftlichem Gymnasialprofil locken konnte.

Mit dem Ausbau der beruflichen Schulen im Land hat er dieses Alleinstellungsmerkmal verloren. Durch die annähernde Verdoppelung der gymnasialen Abteilungen ist die Albert-Schweitzer-Schulgemeinschaft auf rund 1100 Schüler gewachsen, war von Studiendirektor Adolf Schwab zu erfahren, Abteilungsleiter für die drei beruflichen Gymnasien. Das Kollegium vergrößerte sich von etwa 60 auf 85 Lehrkräfte, wobei nicht alle offenen Stellen besetzt werden konnten. Bedarf gibt es etwa in Pflegepädagogik, Mathematik und Informatik: „Wir haben zu wenig Bewerber,“ konstatiert Barbara Hendricks-Kaiser. Die beruflichen Gymnasialzweige beginnen stets mit der elften Klasse; zuvor besuchten die Neulinge Real-, Werkrealschulen oder allgemein bildende Gymnasien. Damit die Schüler einander schnell kennenlernen, beginnt das Schuljahr mit Kennenlern-Tagen, idealerweise in der Abgeschiedenheit einer Hütte, erklärt Hendricks-Kaiser. „Danach sind alle Wege offen, der Abschluss ist kein Fachabitur, sondern bedeutet die allgemeine Hochschulreife.“ Der allgemein bildende Bereich wird mit schulartübergreifenden Kursen gestaltet, die laut Schwab rund 75 Prozent des Unterrichts ausmachen. Kernfächer werden gemeinsam unterrichtet, nur die Profilfächer separat. Das sind beim sozialwissenschaftlichen Gymnasium die Profilfächer Psychologie und Pädagogik, Wahl- und Wahlpflichtfächer sind Französisch, Musik, Bildende Kunst und Sozialmanagement.

Fallbeispiele und Rollenspiele im Fach „PPÜ“ (pädagogisch-psychologische Übungen) habe sie daheim immer wieder ausprobiert, Vater, Mutter und sich selbst analysiert, bestätigt Anja Schuler den unmittelbaren Bezug zur eigenen Wirklichkeit. „Ich beobachte Menschen jetzt bewusster, manchmal übe ich Wahrnehmen und Kommunizieren im Alltag regelrecht.“ Nach dem Abi will sie sich um ein Medizinstudium bemühen, während Anna Engesser mit sozialer Arbeit liebäugelt. Sie fand „völlig überraschend, wie viel Mathematik und Statistik zu Psychologie gehören.“ Verena Müller pflichtet ihr bei: „Genau die vielen Zahlen wollte ich ja loswerden, aber da habe ich verstanden, dass sie nötig sind.“ Ebenso faszinierend sei die Verknüpfung von Ethik und Finanzen im Wahlpflichtfach „Sozialmanagement“ gewesen. Die junge Frau will Gymnasiallehrerin für eben jene neuen Lieblingsfächer werden und ihrerseits Schülern vermitteln, was sie gelernt hat.